Rezension: Cocoon - Die Lichtfängerin

"Ich weiß, dass die goldenen Lichtbänder die Zeit sind, und wenn ich mich stark genug auf die Wahrnehmung des Gewebes um mich herum konzentriere, sehe ich sie vorbeifließen und Stränge bilden." (S. 78)




Autor: Gennifer Albin
Verlag: INK
Seiten: 360
Preis: 17,99€ (gebunden)
Reihe: 1. Band von 3





Worum geht's?
Adelice wird von ihren Eltern trainiert ihr Talent, das Weben und dadurch Verändern der Substanz der Welt, zu verbergen, denn wenn man als Webjungfer einberufen wurde, kommt man nie wieder zurück.
Nachdem es doch passiert versucht sie aus der Gefangenschaft zu entkommen und ihre Schwester zu retten.

Meine Meinung:

Wie bin ich auf das Buch gekommen?
Wie so oft war ich auf Goodreads unterwegs und fahndete nach guten Dystopien.

Erwartungen an das Buch?
Eine Dystopie mit einer interessanten Welt.

Erwartungen erfüllt?
Dieses Buch ist für mich schwierig zu bewerten, denn ich bin jemand dem das völlig innovative Weltenerschaffen in Büchern besonders am Herzen liegt und in "Cocoon" habe ich etwas gefunden was wirklich einzigartig neu und gleichzeitig ästhetisch war. Eine Welt, wo jeder Mensch und jedes Ding gewoben wird und man u.a. durch Abtrennen von Fäden ganze Landstriche und Personen verschwinden lassen kann.

Aber wenn ich von der wunderschönen Idee (die gut umgesetzt wurde) absehe, entdeckte ich ein typisches autoritäres System mit einer Protagonistin, die außer ihren ständigen schnippischen (nicht sarkastischen, sondern nervigen) Kommentaren, sich nicht vom Durchschnitt abhob... leider. Tatsächlich habe ich nicht verstanden, was sie überhaupt davon abhält mal ihre Fertigkeiten zu trainieren und damit mal was Anständiges zu fabrizieren.
Die Frau wurde eingesperrt, gefoltert und manipuliert hatte aber den Kampfgeist einer hohlen Nuss, obwohl sie mit ihren Fähigkeiten (die ihr bewusst waren) die Welt, die Substanz dessen aus dem alles besteht (sogar die Zeit), verändern kann. Große Klappe nichts dahinter, das repräsentierte sie in Vollkommenheit, bis ihr kurz vor Schluss doch einfiel, dass ihre Begabung nützlich ist.

Auch die zahlreichen Nebenfiguren sind erschreckend blass, ob das nun die Gegenspieler oder der Liebhaber ist. Tatsächlich waren sie dumpfe Marionetten ohne Motive. Ich meine hunderte Frauen "Webjungfern" lassen sich mit Kleidern, Schminke und gutem Essen dazu verführen, ihr ganzes Leben lang nur zu weben? Sie dürfen keine Männer haben, sie dürfen ihre Eltern nicht sehen, sie sind für immer eingesperrt und da gibt es keine die aktiv rebelliert?
Einzig die Mentorin von Adelice und der Chefbutler Jost sind ein wenig individuell, da sie jeweils eine Art Hintergrundstory besitzen, obwohl ich da jetzt auch keine besonderen Charaktereigenschaften gesehen habe.

Mal abgesehen von der Webidee war das System sehr ähnlich dem von "Die Auswahl", die Regierung bestimmte alles, was man isst, wann man heiratet, welchen Beruf man bekommt usw. Ich mag solche Systeme, aber die Auswirkungen dieser Beschränkungen wurden zwar erwähnt, erreichten mich aber emotional zu keinem Zeitpunkt.

Die Emotionen allgemein kamen bei mir überhaupt nicht (!) an. Ich war zwar die ganze Zeit begierig darauf zu erfahren, was nun aus der Idee mit dem Weben und dem autoritären System gemacht wurde, aber die Schicksalsschläge die Adelice schon sehr früh im Buch erleidet und deren Trauer etc. sich durch das gesamte Buch zieht, konnte ich als Leser nicht nachvollziehen. Dabei wäre ich gerne mit in einem Strudel von Emotionen hineingezogen wurden, aber da war nichts. Kein Funke der übersprang.

Ich würde dieses Buch so gerne lieben. So gerne. Die Welt, die Idee fasziniert mich unendlich.

Aber der Plot war dafür auch zu ereignislos. Im Nachhinein passiert da nicht viel außer den ständigen Erkenntnissen, wie gut sie doch weben kann (und sich das unlogischerweise erst sehr sehr spät zu Nutze macht), welch vorlautes Mundwerk sie hat (X-Mal wäre sie theoretisch schon umgebracht worden), dass sie sich und andere in Gefahr bringt und das System wirklich richtig grotesk und böse ist (Ach?). Ach ja und ständig ist irgendjemand sauer auf sie und spinnt Intrigen...

Im Grunde konnte man das alles nicht Ernst nehmen, denn als Leser habe ich 2 und 2 zusammengezählt und da war es klar, dass sie ihr Wunderkind nicht umbringen würden.
Aber natürlich werden dann andere Foltermethoden angedroht, aber naja... dafür war das Buch dann auch schon zu weit fortgeschritten, um da noch spannend zu werden. Und das Ende war viel zu glatt und weichgespült.
Von meinem Abscheuthema Flucht wurde ich auch nicht verschont...
Ein Liebesdreieck gibt es auch, aber das hätte weitaus schlimmer sein können, sie entscheidet sich doch relativ klar für den einen.

Obwohl ich objektiv dem Buch eine schlechte Bewertung gebe, habe ich es aufgrund der Welt und den Ideen gemocht und verschlungen und ich werde wahrscheinlich auch die Fortsetzungen lesen.

Fazit
Eine Dystopie mit einer Idee vom Verweben der Realität, die mich fasziniert. Nur leider gesellten sich Pappfiguren und 08/15-Plot dazu.
Für die gute Idee vergebe ich zwei Regalebenen im Sinne des Settings.


Bescheiden

Beitrag von Egoliquida